Letzte Beiträge und Veröffentlichungen
- (K)eine Böllerverbotszone in der Stadt Mainz
- Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2021 ist verfassungswidrig und nichtig
- Ist die geplante Novelle des Gebäudeenergiegesetzes mit geltendem Verfassungsrecht vereinbar?
- „Corona-Spaziergänge“
- Bundesverfassungsgerichtspräsident Harbarth und die Befangenheit
- Corona-Warnapp und Datenschutz
- Quarantänegebot in Corona-Zeiten
- Der Schutz des Lebens im Spannungsfeld von Grundrechten während der Corona-Krise
- Corona wird die demokratische Ordnung nicht schwächen
- Sind Grundrechtsbeschränkungen in Zeiten der Corona-Krise verfassungsgemäß?
(K)eine Böllerverbotszone in der Stadt Mainz
In der Stadt Mainz wurde zu Silvester 2023 über ein sogenanntes Böllerverbot diskutiert.
Manche Städte in Deutschland, wie z.B. Frankfurt und Elmshorn, haben Verbotszonen eingerichtet, in denen keine Feuerwerkskörper abgebrannt werden durften.
Dies wurde mit § 23 I der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz begründet. Hiernach ist das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie an besonderes brandempfindlichen Gebäuden oder Anlagen verboten.
Dieser Paragraf enthält zwei unbestimmte Rechtsbegriffe:
a) Was bedeutet unmittelbare Nähe?
Es hat sich mangels hinreichender Gesetzlichkeit allgemein ein Radius von 200 Metern um die genannten Objekte eingebürgert. Dies ist mittlerweile Gewohnheitsrecht geworden.
b) Was fällt unter brandempfindliche Gebäude oder Anlagen?
Brandempfindliche Gebäude sind Gebäude, von denen eine erhöhte Brandgefahr ausgeht, die schwer zu löschen sind und diese Gebäude hilflose Bewohner im Brandfall nur schwer verlassen können. Typischerweise handelt es sich hierbei in erster Linie um Holzhäuser oder Fachwerkhäuser.
Der Mainzer Tierschutzverein hatte sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, dass die Stadt Mainz keine Böllerverbotszone um das Tierheim Mainz eingerichtet hat. Die Stadt begründete die Weigerung damit, dass in der Verordnung zum Sprengstoffgesetz Tierheime explizit nicht genannt sind.
Hätte die Stadt Mainz trotz des Fehlens von Tierheimen im Text der Sprengstoffverordnung in rechtlich gesicherter Form eine Böllerverbotszone um das Tierheim einrichten können?
a) Das Tierheim wie Ende November 2023 in einem Brief an Oberbürgermeister Haase darauf hin, dass die Gebäude des Tierheims enorm brandempfindlich seien. Auf dieses Schreiben soll die Stadt Mainz nach Angaben des Tierschutzvereins nicht reagiert haben.
Sollten die Objekte des Tierheims Mainz tatsächlich brandempfindlich sein, hätte die Stadt Mainz unter Hinweis auf § 23 I 2. Alternative der Sprengstoffverordnung sehr wohl eine Böllerverbotszone um das Tierheim einrichten können.
b) Wenn die Frage der Brandempfindlichkeit der Objekte des Tierheims Mainz außer Betracht bleibt, stellt sich die Frage, ob auch dann noch die Stadt Mainz rechtlich in der Lage wäre, eine Verbotszone für das Abbrennen von Feuerwerkskörpern rund um das Tierheim einzurichten, obwohl Tierheime in der Sprengstoffverordnung nicht genannt sind.
Der Tierschutz wurde im Jahre 2002 als Staatsziel im Grundgesetz verankert (Art. 20 a GG). Diese Grundgesetzergänzung ist als Auftrag an Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung zu verstehen, den Tierschutz als wesentliches Verfassungsgut zu verwirklichen. Dem Tierschutz kommt somit Verfassungsrang zu.
Aus dieser Staatszielbestimmung können die Bürger allerdings keine individuellen Rechte herleiten. Es existiert kein Vorrecht gegenüber anderen Grundrechten. Es ist in jedem Fall ein Ausgleich mit anderen Verfassungsgütern herzustellen.
Tiere gelten nunmehr auch rechtlich als Lebewesen (früher: Sachen). Es ist allgemein bekannt, dass sich Tiere beim Explodieren von Feuerwerkskörpern sehr erschrecken. Die Schreckhaftigkeit kann zum Tod einer Vielzahl von Tieren führen. Ausgehend von der Staatszielbestimmung des Tierschutzes und der Gefahr der mittelbaren bzw. unmittelbaren mindestens Körperverletzung von Tieren bei der Explosion von Feuerwerkskörpern ist nach diesseitiger Ansicht der Begriff „Tierheime“ in § 23 I der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz hineinzulesen.
Ein Ausgleich mit anderen Verfassungsgütern (allgemeine Handlungsfreiheit der Bürger, die Feuerwerkskörper zum Abbrennen bringen wollen) liegt nach diesseitiger Ansicht vor, da die Böllerverbotszone lediglich auf einen Radius von 200 Metern vom Tierheim beschränkt wäre und es in einer Stadt wie Mainz dennoch genügend Flächen gibt, in denen Feuerwerkskörper zu Silvester legal abgebrannt werden können.
Ergebnis: Die Stadt Mainz hätte trotz des Fehlens des Begriffs „Tierheime“ im Text der Sprengstoffverordnung in rechtlich sicherer Form eine Böllerverbotszone um das Tierheim Mainz einrichten können.
HK 7.1.2024
Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2021 ist verfassungswidrig und nichtig
Das Bundesverfassungsgericht hatte am 15. November 2023 (Az.: 2 BvF 1/22) geurteilt, dass das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 mit Art. 109 III, Art. 110 II und Art. 115 II Grundgesetz unvereinbar und nichtig ist.
Antragstellerin war die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Sie wendete sich gegen die rückwirkende Änderung des Haushaltsgesetzes und des Bundeshaushaltsplans 2021 durch das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 . Mit diesem sollte eine im Bundeshaushalt 2021 als Reaktion auf die Corona-Pandemie vorgesehene, jedoch im Haushaltsjahr 2021 nicht unmittelbar benötigte Kreditermächtigung in Höhe von 60 Milliarden Euro durch eine Zuführung an den Energie- und Klimafonds (EKF), ein unselbständiges Sondervermögen des Bundes, für künftige Haushaltsjahre nutzbar gemacht werden. Die Zuführung erfolgte im Februar 2022, also rückwirkend, für das abgeschlossene Haushaltsjahr 2021 . Der EKF wurde zwischenzeitlich in Klima- und Transformationsfonds (KTF) umbenannt.
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Ist die geplante Novelle des Gebäudeenergiegesetzes mit geltendem Verfassungsrecht vereinbar?
Die Bundesregierung will das Gebäudeenergiegesetz (GEG) novellieren. Der CO2-Ausstoß soll bis zum Jahr 2045 auf Null abgesenkt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen ab dem Jahr 2024 neu installierende Heizungsanlagen in Privatimmobilien mit mindestens 65 % aus erneuerbaren Energien gespeist werden. Ausnahmen soll es für öffentliche Gebäude und für Hauseigentümer über 80 Lebensjahre geben. Diese sollen hiervon verschont bleiben.
Fraglich ist, ob diese Maßnahmen, so sie denn Gesetzeskraft erlangen sollten, verfassungsgemäß seien.
„Corona-Spaziergänge“
In vielen Städten Deutschlands finden vorzugsweise montags „Spaziergänge“ von Bürgern statt. Hierbei handelt es sich vorwiegend um kritisch gegen staatliche Coronamaßnahmen eingestellte Personen.
Sind diese „Spaziergänge“ verfassungsrechtlich erlaubt?
Bundesverfassungsgerichtspräsident Harbarth und die Befangenheit
Der Deutsche Bundestag hatte im April 2021 eine Corona-Notbremse, auch Bundesnotbremse genannt, im Infektionsschutzgesetz beschlossen. Überschreitet demnach ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt an drei aufeinanderfolgenden Tagen eine Inzidenz von 100, galten dort ab dem übernächsten Tag zusätzliche, bundeseinheitliche Maßnahmen. Diese Bündel bundesweit geregelter Corona-Maßnahmen wie z.B. Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren, Maskenpflicht etc. trat am 23.4.2021 in Kraft.
Gegen diese Bundesnotbremse wurden im Laufe der Zeit mehr als 8.500 Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erhoben. Hierüber wird das Gericht im Oktober / November 2021 entscheiden.
In diesem Aufsatz geht es nicht um eine Diskussion zur Sachentscheidung, sondern um eine mögliche Befangenheit des Präsidenten des höchsten deutschen Gerichts.
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