Bundeswirtschaftsminister Altmaier fordert einen freien Zugang zum Internet. Er vertritt die Auffassung, dass der freie Zugang zum Internet ein Grund- und Menschenrecht sein muss, der für alle Menschen gelte (Allgemeine Zeitung Mainz am 25.11.2019, Seite 3).
Ist ein freier Internetzugang ein Grund- und Menschenrecht?
Der Anspruch auf freien Internetzugang könnte sich im allgemeinen Persönlichkeitsrecht widerspiegeln. Dieses Recht ist im Wesentlichen von der Rechtsprechung entwickelt worden und wird aus Artikel 2 I i.V.m. Artikel 1 I Grundgesetz abgeleitet. Zunächst soll das allgemeine Persönlichkeitsrecht die engere persönliche Lebenssphäre schützen (BVerfGE 54, 148/153; 72, 155/170). Der einzelne Mensch soll im Bereich privater Lebensgestaltung seine Individualität entwickeln und wahren.
Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung diverse Rechte in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Grundgesetzes „hineingelesen“:
a) In seinem Volkszählungsurteil (BVerfG, Urteil vom 15.1.1983, 1 BvR 209/83) hat das BVerfG das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG) entwickelt und versteht es als besondere Ausprägung dieses Grundrechts.
b) Auch das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität in informationstechnische Systeme sieht das BVerfG vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasst (BVerfG, Urteil vom 27.2.2008, 1 BvR 370/07; 1 BvR 595/07).
Es stellt sich die frage, ob ein freier Internetzugang ebenfalls eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt und in Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG „hineingelesen“ werden kann.
Im Mittelpunkt der grundgesetzlichen Ordnung stehen Wert und Würde der Person, die in freier Selbstbestimmung als Glied einer freien Gesellschaft wirkt und gerade auch im Blick auf moderne Entwicklungen der menschlichen Persönlichkeit Bedeutung gewinnt. Die bisherigen Konkretisierungen durch die Rechtsprechung umschreiben den Inhalt des Persönlichkeitsrechts nicht abschließend. Es umfasst auch die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen eine Internetnutzung erfolgt. Individuelle Selbstbestimmung setzt also unter den Bedingungen moderner Informationsverarbeitungstechnologien voraus, dass dem Einzelnen Entscheidungsfreiheit über vorzunehmende oder zu unterlassende Handlungen einschließlich der Möglichkeit gegeben ist, sich auch entsprechend dieser Entscheidung tatsächlich zu verhalten.
Das Recht auf freien Zugang zum Internet wird diesseits als ein Teilhaberecht angesehen. Teilhaberechte folgen im Unterschied zu Leistungs- und Schutzrechten nicht originär aus Grundrechten. Sie sind vielmehr derivativer Natur. Es geht um den gerechten Anteil des Einzelnen an der Freiheitseffektivierung durch den Staat (Manssen, Staatsrecht II, Grundrechte, 3. Auflage, Rd.-Nr. 60, München 2004).
Diesseits wird somit das Recht auf freien Zugang zum Internet als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angesehen und kann ebenso wie vorstehend a) und b) in das Grundgesetz „hineingelesen“ werden.
Helmut Krethe 26.11.2019