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In vielen Städten Deutschlands finden vorzugsweise montags „Spaziergänge“ von Bürgern statt. Hierbei handelt es sich vorwiegend um kritisch gegen staatliche Coronamaßnahmen eingestellte Personen.

Sind diese „Spaziergänge“ verfassungsrechtlich erlaubt?

Eine Versammlungserlaubnis gibt es in Deutschland nicht, da Versammlungen grundsätzlich erlaubt und gem. Art. 8 Grundgesetz (GG) unter staatlichem Schutz stehen. Allerdings können Versammlungen unter freiem Himmel gem. Art. 8 II GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden. Nur unter bestimmten Voraussetzungen können Versammlungen eingeschränkt oder gar verboten werden.

„Normale“ Spaziergänge von kleineren Personengruppen, die keinen Versammlungscharakter haben, sind bereits durch Art. 2 I GG (allgemeine Handlungsfreiheit) gedeckt.

Sogenannte „Corona-Spaziergänge“ verfolgen einen gemeinsamen bestimmten Meinungszweck, also stellen eine Diskussion von öffentlichen Angelegenheiten dar (BVerfGE 69, 315/342 f.; BVerwGE 82, 34/38). Gemeinsame kollektive Meinungsäußerungen sind durch die Versammlungsfreiheit geschützt.

Bleiben wir zunächst beim Grundgesetz. Art. 8 I GG bestimmt, dass alle Deutschen das Recht haben, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Obwohl es sich dem Wortlaut nach um ein Deutschen-Grundrecht handelt, steht dieses Recht auch allen EU-Bürgern zu (Art. 18 AEUV – Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union). Auch nicht EU-Angehörigen steht dieses Recht über Art. 2 I GG zu.

Die Versammlung muss friedlich sein. Eine friedliche Versammlung bedeutet, dass die Versammlung keinen aufrührerischen oder gewalttätigen Verlauf nehmen darf. Unfriedlich ist eine Versammlung bereits dann, wenn ein gewaltsamer Verlauf unmittelbar bevorsteht.

Die Versammlung hat ohne Waffen zu erfolgen; es dürfen somit keine Hieb-, Stich- und Stoßwaffen mitgeführt werden.

Das Versammlungsgesetz (VersG) verlangt gem. § 14 I bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel eine Anmeldepflicht bei der zuständigen Ordnungsbehörde. Diese hat spätestens 48 Stunden vor Bekanntgabe der Versammlung zu erfolgen. Eine Versammlung ist allerdings nicht genehmigungspflichtig.

Weiter verlangt das VersG in § 2 I eine Namensangabe eines Versammlungsleiters. Wenn die Versammlung über keinen Versammlungsleiter verfügt, stellt dies bereits einen Verstoß gegen das VersG dar. Die Versammlung könnte dann aufgelöst werden, sofern sie bereits begonnen hat.

Neben dem Versammlungsgesetz gilt das Infektionsschutzgesetz, d.h., es gilt die Maskenpflicht bzw. das Abstandsgebot. Auch von Corona kritisch eingestellten Versammlungsteilnehmern kann das Tragen einer Maske und das Einhalten eines Abstands verlangt werden.

Eine Versammlung kann dann ordnungsbehördlich verboten werden, wenn von ihr absehbar eine Gefahr von strafbaren Handlungen droht wie z.B. Volksverhetzung oder auch Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz. Die Ordnungsbehörde kann der Versammlungsleitung Auflagen erteilen. Bei Verstößen gegen diese Auflagen droht ebenfalls ein Versammlungsverbot, auch wenn die Versammlung bereits begonnen hat. Nach einem ausgesprochenen Versammlungsverbot kann die Versammlung durch die Ordnungsbehörde aufgelöst werden.

Versammlungsrechtlich bestehen keine Bedenken gegen sogenannte „Corona-Spaziergänge“. Sie stehen unter dem Schutz des Grundgesetzes. Eine Demokratie muss auch solche Versammlungen aushalten.

HK 11.1.2021