Helmut Krethe Private Homepage

In der Stadt Mainz wurde zu Silvester 2023 über ein sogenanntes Böllerverbot diskutiert.

Manche Städte in Deutschland, wie z.B. Frankfurt und Elmshorn, haben Verbotszonen eingerichtet, in denen keine Feuerwerkskörper abgebrannt werden durften.

Dies wurde mit § 23 I der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz begründet. Hiernach ist das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie an besonderes brandempfindlichen Gebäuden oder Anlagen verboten.

 

Dieser Paragraf enthält zwei unbestimmte Rechtsbegriffe:

a) Was bedeutet unmittelbare Nähe?

Es hat sich mangels hinreichender Gesetzlichkeit allgemein ein Radius von 200 Metern um die genannten Objekte eingebürgert. Dies ist mittlerweile Gewohnheitsrecht geworden.

b) Was fällt unter brandempfindliche Gebäude oder Anlagen?

Brandempfindliche Gebäude sind Gebäude, von denen eine erhöhte Brandgefahr ausgeht, die schwer zu löschen sind und diese Gebäude hilflose Bewohner im Brandfall nur schwer verlassen können. Typischerweise handelt es sich hierbei in erster Linie um Holzhäuser oder Fachwerkhäuser.

 

Der Mainzer Tierschutzverein hatte sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, dass die Stadt Mainz keine Böllerverbotszone um das Tierheim Mainz eingerichtet hat. Die Stadt begründete die Weigerung damit, dass in der Verordnung zum Sprengstoffgesetz Tierheime explizit nicht genannt sind.

Hätte die Stadt Mainz trotz des Fehlens von Tierheimen im Text der Sprengstoffverordnung in rechtlich gesicherter Form eine Böllerverbotszone um das Tierheim einrichten können?

a) Das Tierheim wie Ende November 2023 in einem Brief an Oberbürgermeister Haase darauf hin, dass die Gebäude des Tierheims enorm brandempfindlich seien. Auf dieses Schreiben soll die Stadt Mainz nach Angaben des Tierschutzvereins nicht reagiert haben.

Sollten die Objekte des Tierheims Mainz tatsächlich brandempfindlich sein, hätte die Stadt Mainz unter Hinweis auf § 23 I 2. Alternative der Sprengstoffverordnung sehr wohl eine Böllerverbotszone um das Tierheim einrichten können.

b) Wenn die Frage der Brandempfindlichkeit der Objekte des Tierheims Mainz außer Betracht bleibt, stellt sich die Frage, ob auch dann noch die Stadt Mainz rechtlich in der Lage wäre, eine Verbotszone für das Abbrennen von Feuerwerkskörpern rund um das Tierheim einzurichten, obwohl Tierheime in der Sprengstoffverordnung nicht genannt sind.

Der Tierschutz wurde im Jahre 2002 als Staatsziel im Grundgesetz verankert (Art. 20 a GG). Diese Grundgesetzergänzung ist als Auftrag an Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung zu verstehen, den Tierschutz als wesentliches Verfassungsgut zu verwirklichen. Dem Tierschutz kommt somit Verfassungsrang zu.

Aus dieser Staatszielbestimmung können die Bürger allerdings keine individuellen Rechte herleiten. Es existiert kein Vorrecht gegenüber anderen Grundrechten. Es ist in jedem Fall ein Ausgleich mit anderen Verfassungsgütern herzustellen.

Tiere gelten nunmehr auch rechtlich als Lebewesen (früher: Sachen). Es ist allgemein bekannt, dass sich Tiere beim Explodieren von Feuerwerkskörpern sehr erschrecken. Die Schreckhaftigkeit kann zum Tod einer Vielzahl von Tieren führen. Ausgehend von der Staatszielbestimmung des Tierschutzes und der Gefahr der mittelbaren bzw. unmittelbaren mindestens Körperverletzung von Tieren bei der Explosion von Feuerwerkskörpern ist nach diesseitiger Ansicht der Begriff „Tierheime“ in § 23 I der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz hineinzulesen. 

Ein Ausgleich mit anderen Verfassungsgütern (allgemeine Handlungsfreiheit der Bürger, die Feuerwerkskörper zum Abbrennen bringen wollen) liegt nach diesseitiger Ansicht vor, da die Böllerverbotszone lediglich auf einen Radius von 200 Metern vom Tierheim beschränkt wäre und es in einer Stadt wie Mainz dennoch genügend Flächen gibt, in denen Feuerwerkskörper zu Silvester legal abgebrannt werden können.

Ergebnis: Die Stadt Mainz hätte trotz des Fehlens des Begriffs „Tierheime“ im Text der Sprengstoffverordnung in rechtlich sicherer Form eine Böllerverbotszone um das Tierheim Mainz einrichten können.

 

HK   7.1.2024